Ständig erregen wir uns, wenn nicht auf angenehme Art, dann in einer unangenehmen. Oftmals an einer Ampel oder an einer Supermarktkasse, wenn uns etwas misslingt oder uns jemand etwas Schönes vor der Nase wegschnappt, wir betrogen oder verraten werden. Was passiert aber in unserem Körper, wenn wir uns aufregen und weshalb ist es dann so schwer sich wieder zu beruhigen?
Zur psychologisch – sozialen Komponente von Streit gehört auch die biologische, die uns verstehen lässt, weshalb es so schwer ist, aus einer Erregung so einfach auszusteigen.
Wenn wir wütend sind, liefert der Körper alles Nötige um Höchstleistungen zu vollbringen. Um die Muskeln bestmöglich nutzen zu können wird Zucker im Blut freigesetzt, die Atemfrequenz erhöht sich, der Blutdruck steigt und der Puls beschleunigt sich. All diese Maßnahmen erleben wir als “Aufregung”. Darüber hinaus ist die Schmerzwahrnehmung reduziert, so dass wir Verletzungen im Falle einer Auseinandersetzung als weniger schmerzhaft erleben als im entspannten Modus. Wir könnten deswegen aber auch härter zuschlagen und mehr einstecken. Interessant ist auch, dass die Sexualhormone im Zustand der “Aufregung” gehemmt werden, was einen fatalen Effekt zur Folge hat. Wir sind dann nämlich weniger behutsam und einfühlsam – wir interessieren uns also weniger für die Belange des Anderen, nehmen eine Verletzung des Gegenüber in Kauf und die Hemmschwellen “Beleidigen und Demütigen” sinkt. Ein weiterer psychologischer Effekt ist die Reduktion des Denkens. Vernünftige Schlussfolgerungen sind demnach nur eingeschränkt möglich, weshalb wir unter Erregung dem anderen oftmals vorurteilsvoll begegnen. Alkohol verstärkt diese Effekte.
Der Körper fokussiert sich ganz auf die Herausforderung bzw. darauf die eigene Haut zu retten. Das waren noch vor Jahren lebensbedrohliche Situationen, entweder Tiere, die uns fressen wolllten oder Menschen, die uns ausrauben, vergewaltigen oder töten wollten. Und dann gab es nur drei Möglichkeiten: Weglaufen oder kämpfen oder sich seinem Schicksal ergeben.
Aber was geschieht heutzutage? Nun erleben wir im Alltag keine lebensbedrohlichen Angriffe mehr. Wenn wir attackiert werden, dann meist, weil uns jemand beherrschen oder manipulieren mag. Es sind oftmals subtile Übergriffe, die kränkend sind. Wenn wir “getroffen” wurden, bzw. “verletzt” sind, dann überschwemmen uns Stresshormone und Neurotransmitter, die verantwortlich für die oben genannte “Symptome” sind. Dann ist aber kluges, schlagfertiges Handeln nicht mehr möglich. Wir sollten uns also nicht wundern, wenn wir nach einer verbalen Attacke sprachlos sind, weil es eben eine Weile dauert, bis die Hormon-Flut zurückweicht.
Die Aufregung, die sie in Konfliktsituationen verspüren, ist also nichts anderes als die Aktivierung eines Programms, das vollkommen anachronistisch und situationsunangemessen geladen wird. Weglaufen oder gewaltvoll handeln, wenn uns jemand provoziert, ist eben nicht mehr zeitgemäß.
Wer gelernt hat „cool“ zu bleiben, der hat einen entscheidenden Vorteil – er kann im Konfliktfall genauer hinschauen, seine Kognitionen nutzen, also eine Situationsanalyse vornehmen, das Einfühlungsvermögen nutzen und besonnen und angemessen reagieren – schlagfertig. Das Ziel kann also nur sein, Aufregung zu vermeiden.
Das ist wichtig um gesund zu bleiben, denn Aggressionen ohne Ausdruck können krank machen. Man weiß, dass ungeklärte Konflikte weiterhin als belastend erlebt werden und somit einige der hormonellen und autonomen Reaktionen erhöht bleiben. Die Folge ist, dass das Immunsystem seine Arbeit nicht adäquat verrichtet und Organschäden auftreten können.
Quelle:
Nils Birbaumer: Biologische Psychologie (Springer-Lehrbuch)
Spiegel-Artikel: Zornig im Büro: Der Ärger muss raus – aber richtig