Wenn wir uns über Konflikte unterhalten, dann ist eine Begriffsklärung ganz sinnvoll. Das Wort “Konflikt” können wir dazu in ein Spannungsfeld mit vier Polen stellen. Auf dem Bild rechts sind die vier Pole, die einen Konflikt definieren, anschaulich aufeinander bezogen, ausgehend von der Idee des Wertequadrats von Paul Helwig, das durch Schulz von Thun populär geworden ist.
Betrachten wir das Quadrat genauer: Im oberen Teil sehen wir die gesunden Anteile eines Konflikts, das Streiten und das Harmonieren. In der unteren Linie des Quadrats stehen die potentiell pathologischen Anteile des Konfliktgeschehens, das Bekriegen und das Schweigen.
Beginnen wir oben links: Das Streiten ist eine spezielle Konfliktform. Wir zanken zwar, ziehen kräftig am anderen, bleiben dabei aber respektvoll und einfühlsam. Das Ziel der Auseinandersetzung ist, ein Problem zu lösen, um damit einen Meinungsverschiedenheit oder einen Interessenskonflikt zu beenden. Gelingt uns das nicht, können wir das Problem vertagen oder in Zukunft darüber schweigen, oder den Streit in die Eskalation treiben und Krieg führen.
Das miteinander Harmonieren oder das reibungslose Miteinander: Zwei Menschen ergänzen sich, nehmen einander wahr, gehen respektvoll miteinander um, bemühen sich um eine gute Zusammenarbeit, erkennen die Bedürfnisse des anderen und tragen dazu bei, diese zu befriedigen. Sollten sie Unterschiede ausgleichen müssen, so gelingt ihnen das, in dem sie zum Streitpol wandern, dabei aber fair und einfühlsam bleiben.
Dagegen ist das Bekriegen eine Form des Kämpfens, die über das Streiten hinausgeht. Jetzt geht es nicht mehr darum Unterschiede auszugleichen, sondern sich auf Kosten des anderen durchzusetzen, mit Mitteln, die die Integrität des anderen verletzten können und die Beziehung somit nachhaltig schädigen. In dieser Ecke des Quadrats wird beleidigt, verletzt, zerstört, betrogen, fremdgegangen, gelogen und schlimmstenfalls gemeinsam untergegangen. Kriegerische Formen sind im Konfliktfall nur dann sinnvoll, um andere einzuschüchtern, zu vernichten oder um zu verhindern selbst vernichtet zu werden.
Das Schweigen geht über das Harmonieren hinaus und entsteht, wenn wir uns davor fürchten die Harmonie durch Streit zu gefährden, wenn es uns nicht gelingt ein Nein zu formulieren, wenn wir in einem Streit den kürzeren ziehen und uns diesem Schicksal ergeben. Wenn wir der Gewalt des Gegenübers nichts entgegenzusetzen haben, wenn wir unvorteilhafte Geschäfte akzeptieren, des lieben Friedens wegen, wenn wir das Machtgefälle erdulden. Das Schweigen ist neben dem Bekriegen das andere Ende der destruktiven Form des Miteinanders. Wenn wir die Angst, die Wut, die Enttäuschung, die Ohnmacht nicht zum Ausdruck bringen, führt dies in den Stillstand, in die Depression, ins Burn Out, in die Sucht, wird adipös oder tötet sich selbst. Das Schweigen kann sich irgendwann entladen, dann nämlich wenn uns der Kragen platzt und die angestaute Frustration sich schließlich entlädt.
Wenn wir einen Konflikt mit jemandem austragen, dann sollten wir uns fragen, wo wir stehen. Harmonieren wir als Paar oder tun wir nur so als ob? Schweigen wir über die brisanten Themen oder lassen wir es manchmal richtig krachen? Was ist, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, wie schaffen wir einen Ausgleich? Was tun Sie um eine Eskalation zu vermeiden? Wie kommen Sie aus dem Schweigen in eine konstruktive Form des Miteinanders? Oder was machen Sie, wenn etwas zerbrochen ist, jemand einen Schritt zu weit gegangen ist?
Streiten ist deswegen so aufregend, weil wir gar nicht wissen, wie sich ein Konflikt entwickeln wird. Deswegen ist jede Auseinandersetzung die perfekte Ausgangslage für ein packendes Drehbuch. Endet der Beziehungsausflug in einem idyllischen Strandlokal oder in einer handfesten Auseinandersetzung mit Demütigungen, Strafanzeigen oder in getrennten Schlafzimmern? Oder endet die Auseinandersetzung im Schweigen – im alles unter den Teppich kehren? Im Augenblick des Miteinanderstreitens wissen wir dies nicht, die Emotionen trüben unser Bewusstsein und darüber hinaus können wir die Strategie des Gegenüber ja auch nicht vorausahnen. Alles ist offen. Wie in einem Film, wir wissen nicht, ob uns ein Happy-End, ein bitteres oder ein intellektuelles Ende erwartet.